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Kulturkritik und Gegenaesthetik: Zur Bedeutung Friedrich Nietzsches fuer die bildende Kunst in Deutschland, 1892-1918

Posted on:1994-03-20Degree:Ph.DType:Dissertation
University:University of California, Los AngelesCandidate:Erbsmehl, Hans-DieterFull Text:PDF
GTID:1475390014494042Subject:Art history
Abstract/Summary:
Die Aufnahme und Verbreitung von Nietzsches Schriften unter bildenden Kunstlern und ihren zeitgenossischen Vermittlern bewegte sich in einem Spannungsfeld der kritischen Ablehnung der herrschenden Kultur des Kaiserreichs und dem Anspruch auf eine Alternative, die neue asthetische massstabe setzen sollte. In bisherigen kunsthistorischen Studien wurde meist eine affirmative Ubernahme Nietzschescher Philosophie vorausgesetzt. In vielen Fallen zeigt sich Nietzsches Wirkung jedoch gerade dann um so deutlicher, je weiter sich Kunstler und ihre Interpreten bewusst von Nietzsches kritischem Ansatz entfernten und diesem eine Bedeutungslosigkeit fur Kunst und Kultur vorwarfen, gleichzeitig aber umso eindringlicher an Nietzsches eigenen oder ihm unterstellten Positivierungen festhielten. Nietzsches Denken, das standig zwischen einer denunziatorischen und einer apologetischen Betrachtungsweise der Kunst changierte, beinhaltete bereits die Moglichkeit widerspruchlicher Aneignung. Die positive Gegenasthetik war die Antwort auf die negative Kulturkritik. Doch blieb sie bei Nietzsche stets Positur und Vorstellung "auf der Buhne". Die kunstlerisch-literarische Intelligenz, die nach positiven Uberzeugungen und Werten verlangte, entfernte sich zwangslaufig von dieser Voraussetzung Nietzschescher Philosophie. Nietzsches Gegenasthetik und ihrer kunsthistorisch relevanten Wirkung werden keine uberhistorischen Bedeutungen unterstellt. Vorstellungen vom leidensfahigen Individuum, von der asthetischen Erkenntnis der Welt und ihrer Rechtfertigung als asthetischem Phanomen sowie von der Kunst als einer notwendigen Bedingung zum Leben werden verstanden als Projektionen einer existentiellen Lebensgestaltung, die allein an kulturellen und kunstlerischen Geschichtspunkten ausgerichtet sein sollte. Gefragt wird jeweils nach den Reibungs- und Beruhrungspunkten eines psycho-physischen Lebensgefuhls mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Aus der Sicht des Historikers stellt sich die asthetische Erkenntnis der Welt, die ihre Begrundung in Nietzsches Philosophie suchte, als eine Abfolge von Hoffnungen, Illusionen und Enttauschungen uber die Wirksamkeit von Kultur dar. Die Studie stutzt sich auf eindeutige geschichtliche Zeugnisse. Exemplarisch behandelt sie das Verstandnis Nietzsches im Umkreis Berliner sezessionistischer Kunstler bzw. in der Berliner Boheme in den fruhen 90er Jahren (Walter Leistikow, Edvard Munch), in der Zeitschrift Pan sowie in Werken Max Klingers und Melchior Lechters. Tagebucher und Schriften Harry Graf Kesslers ermoglichen eine neue historische Bewertung eines geplanten Nietzsche-Denkmals in Weimar am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Nietzsches Behandlung wahrend des Krieges als des Propheten einer Apokalypse durch Franz Marc und den Kunsthistoriker Fritz Burger trug zur Akzeptanz expressionistischer Kunst beim Burgertum bei.
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